Verschiedene medizinische Cannabis-Sorten mit unterschiedlichen THC- und CBD-Gehalten in deutschen Apotheken
Anwendung

Cannabis Sorten auf Rezept – Der große Überblick über Wirkstoffgehalte und Anwendung

Cannabis Rezept Ratgeber
12 Min. Lesezeit
Über 100 medizinische Cannabis-Sorten in Deutschland: Welche Sorte hilft bei welchen Beschwerden? Alles zu THC- und CBD-Gehalten, Indica vs. Sativa und der richtigen Auswahl.

Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken. Wir geben keine medizinische Beratung. Bei gesundheitlichen Fragen konsultieren Sie bitte einen Arzt.

Die Vielfalt medizinischer Cannabis-Sorten verstehen

Wer ein Cannabis-Rezept erhält, steht oft vor einer verwirrenden Auswahl: Über 100 verschiedene medizinische Cannabis-Sorten sind in deutschen Apotheken verfügbar. Sie unterscheiden sich erheblich in ihrer Wirkung, dem THC- und CBD-Gehalt sowie ihrer Eignung für verschiedene Beschwerden. Dieser Ratgeber erklärt, welche Cannabis-Sorten es gibt, wie sie sich unterscheiden und welche Sorte bei welchen Symptomen am besten hilft.

Die richtige Sortenwahl kann den Therapieerfolg entscheidend beeinflussen. Während einige Patienten mit einer einzigen Sorte optimal behandelt werden, profitieren andere von der Kombination mehrerer Sorten zu unterschiedlichen Tageszeiten.

THC und CBD – Die wichtigsten Cannabinoide

THC (Tetrahydrocannabinol)

THC ist das bekannteste Cannabinoid und hauptverantwortlich für die psychoaktive Wirkung von Cannabis. In der medizinischen Anwendung wirkt THC:

  • Schmerzlindernd bei chronischen Schmerzen, Nervenschmerzen und Migräne
  • Appetitanregend bei Kachexie, Krebs und HIV/AIDS
  • Muskelentspannend bei Spastiken und Krämpfen
  • Schlaffördernd bei Schlafstörungen und Insomnie
  • Übelkeitsreduzierend bei Chemotherapie

Der THC-Gehalt medizinischer Sorten variiert zwischen weniger als 1% bis über 25%.

CBD (Cannabidiol)

CBD wirkt nicht psychoaktiv und moduliert die THC-Wirkung. Therapeutische Effekte von CBD:

  • Entzündungshemmend bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen
  • Angstlösend bei Angststörungen und Panikattacken
  • Krampflösend bei Epilepsie und MS-Spastiken
  • Antipsychotisch kann THC-Nebenwirkungen abmildern
  • Neuroprotektiv bei neurodegenerativen Erkrankungen

CBD-Gehalte reichen von weniger als 1% bis zu über 20% bei reinen CBD-Sorten.

Das THC/CBD-Verhältnis

Das Verhältnis von THC zu CBD bestimmt maßgeblich die Wirkung:

  • THC-betont (hoher THC, niedriger CBD): Starke Schmerzlinderung, ausgeprägte psychoaktive Wirkung
  • Ausgewogen (ähnliche THC/CBD-Werte): Moderate Schmerzlinderung mit reduzierter Psychoaktivität
  • CBD-betont (niedriger THC, hoher CBD): Entzündungshemmung ohne Rauscheffekt
  • Rein CBD (kein THC): Nicht-psychoaktive Therapie bei Epilepsie, Angst, Entzündungen

Indica, Sativa und Hybride – Die Cannabis-Typen

Indica-dominante Sorten

Typische Wirkung: Beruhigend, entspannend, körperbetont, sedierend

Geeignet bei:

  • Schlafstörungen und Insomnie
  • Chronischen Schmerzen (besonders abends)
  • Muskelkrämpfen und Spastiken
  • Innerer Unruhe und Angst
  • Appetitlosigkeit

Bekannte Indica-Sorten: Bedrocan (Indica-dominant), Aurora Indica, Aphria Indica

Beste Einnahmezeit: Abends und nachts, da sie müde machen können

Sativa-dominante Sorten

Typische Wirkung: Anregend, stimmungsaufhellend, kopfbetont, kreativitätsfördernd

Geeignet bei:

  • Depressionen und Stimmungsschwankungen
  • Müdigkeit und Antriebslosigkeit
  • Appetitlosigkeit (ohne Müdigkeit)
  • ADHS und Konzentrationsstörungen
  • Migräne (vorbeugend)

Bekannte Sativa-Sorten: Bedrolite (Sativa-dominant), Pedanios Sativa-Sorten

Beste Einnahmezeit: Morgens und tagsüber für aktivierende Wirkung

Hybrid-Sorten

Die meisten medizinischen Cannabis-Sorten sind heute Hybride, die Eigenschaften beider Typen kombinieren. Sie bieten oft einen ausgewogenen Mittelweg zwischen Entspannung und Aktivierung.

Vorteil: Flexible Anwendung zu verschiedenen Tageszeiten möglich

Beispiele: Die meisten Bedrocan-Sorten, zahlreiche Pedanios- und Aurora-Produkte

Die wichtigsten Cannabis-Sorten in deutschen Apotheken

Hochpotente THC-Sorten (über 20% THC)

Bedrocan (22% THC, weniger als 1% CBD)

  • Klassiker der medizinischen Cannabistherapie
  • Indica-dominant, beruhigend
  • Geeignet für: Chronische Schmerzen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit
  • Aus den Niederlanden, pharmazeutische Qualität

Pedanios 22/1 (22% THC, 1% CBD)

  • Ausgewogene Hybride
  • Starke Schmerzlinderung mit moderater Sedierung
  • Häufig als Alternative zu Bedrocan verschrieben

Aurora 22 (22% THC, weniger als 1% CBD)

  • Indica-dominant
  • Intensive körperliche Entspannung
  • Gut bei Muskelschmerzen und Krämpfen

Mittelpotente THC-Sorten (10-20% THC)

Bediol (6,5% THC, 8% CBD)

  • Ausgewogenes THC/CBD-Verhältnis
  • Milde psychoaktive Wirkung
  • Ideal für Einsteiger und angstlösende Therapie
  • Entzündungshemmend bei chronischen Erkrankungen

Pedanios 18/1 (18% THC, 1% CBD)

  • Moderate Potenz für Tagesgebrauch
  • Schmerzlindernd ohne starke Sedierung
  • Vielseitig einsetzbar

Bakerstreet (Tweed) (19% THC, weniger als 1% CBD)

  • Hybrid mit ausgewogener Wirkung
  • Beliebte Allrounder-Sorte

CBD-betonte Sorten

Bedrolite (weniger als 1% THC, 9% CBD)

  • Nahezu keine psychoaktive Wirkung
  • Entzündungshemmend und krampflösend
  • Geeignet bei: Epilepsie, Angststörungen, chronischen Entzündungen
  • Ideal für Patienten, die THC-Wirkung vermeiden möchten

Bedica (14% THC, weniger als 1% CBD)

  • Indica-dominant für abendliche Anwendung
  • Starke körperliche Entspannung
  • Gut bei Schlafstörungen

Pedanios CBD 8/9 (weniger als 1% THC, 8% CBD)

  • Reine CBD-Therapie ohne Rausch
  • Kombinierbar mit THC-Sorten

Balanced-Sorten (ähnlicher THC/CBD-Gehalt)

Bediol (bereits erwähnt)

Aurora Balanced (10% THC, 10% CBD)

  • Perfektes 1:1-Verhältnis
  • CBD mildert THC-Nebenwirkungen
  • Gute Verträglichkeit für Einsteiger

Welche Cannabis-Sorte bei welcher Erkrankung?

Chronische Schmerzen

Empfohlen: THC-betonte Sorten mit 18-25% THC

  • Bedrocan (22% THC) – für starke Schmerzen
  • Pedanios 22/1 – ausgewogene Alternative
  • Aurora Indica 22 – bei nächtlichen Schmerzen

Kombination: Tagsüber mittelpotente Hybrid-Sorten, abends hochpotente Indica-Sorten

Schlafstörungen

Empfohlen: Indica-dominante Sorten mit hohem THC

  • Bedrocan – klassische Wahl bei Insomnie
  • Bedica (14% THC) – moderate Alternative
  • Aurora Indica – stark sedierend

Einnahme: 1-2 Stunden vor dem Schlafengehen vaporisieren

Angststörungen und Depressionen

Empfohlen: Balanced-Sorten oder CBD-betonte Sorten

  • Bediol (6,5% THC / 8% CBD) – angstlösend ohne Paranoia
  • Aurora Balanced – ausgewogene Stimmungsaufhellung
  • Bedrolite – bei starker Angst ohne THC-Wirkung

Warnung: Hochpotente THC-Sorten können Angst verstärken

Multiple Sklerose (Spastiken)

Empfohlen: Balanced-Sorten mit krampflösender Wirkung

  • Bediol – ideal bei MS-Symptomen
  • Sativex (Fertigarzneimittel) – speziell für MS zugelassen
  • Aurora Balanced

Migräne und Kopfschmerzen

Empfohlen:

  • Vorbeugend: Sativa-dominante oder balanced Sorten
  • Akut: Indica-Sorten mit schneller Wirkung

Sorten: Bedrocan (akut), Bediol (vorbeugend)

Übelkeit und Erbrechen (Chemotherapie)

Empfohlen: THC-betonte Sorten

  • Bedrocan – antiemetisch und appetitanregend
  • Pedanios 22/1

ADHS und Konzentrationsstörungen

Empfohlen: Niedrigdosierte Sativa-Sorten oder Hybride

  • Pedanios Sativa-Sorten (10-15% THC)
  • Bakerstreet (moderate Dosierung)

Wichtig: Individuelle Reaktion stark unterschiedlich

Die richtige Sorte finden – So gehen Sie vor

Schritt 1: Symptome und Tageszeit berücksichtigen

  • Morgens/tagsüber: Sativa oder Hybrid für Aktivität
  • Abends/nachts: Indica für Entspannung und Schlaf
  • Ganztägig: Balanced-Sorten mit moderater Wirkung

Schritt 2: Mit niedrigem THC-Gehalt starten

Beginnen Sie mit 10-15% THC, besonders wenn Sie Cannabis-unerfahren sind:

  • Bedica (14% THC)
  • Pedanios 18/1
  • Bediol (6,5% THC) für besonders vorsichtigen Einstieg

Schritt 3: THC/CBD-Verhältnis wählen

  • Schmerzlinderung im Vordergrund: THC-betont
  • Entzündungshemmung wichtig: Balanced oder CBD-betont
  • Angst vor psychoaktiver Wirkung: CBD-betont

Schritt 4: Arzt konsultieren und testen

Ihr Arzt kann mehrere Sorten verschreiben. Testen Sie verschiedene Optionen:

  • Führen Sie ein Symptomtagebuch
  • Notieren Sie Wirkung, Nebenwirkungen, Dosierung
  • Geben Sie Ihrem Körper 1-2 Wochen Eingewöhnungszeit

Schritt 5: Kombinationen erwägen

Viele Patienten nutzen erfolgreich:

  • Sativa-Hybrid tagsüber + Indica abends
  • THC-Sorte für akute Symptome + CBD-Sorte vorbeugend
  • Verschiedene THC-Stärken je nach Bedarf

Verfügbarkeit und Apotheken

Nicht jede Apotheke führt alle Cannabis-Sorten vorrätig. Die Verfügbarkeit hängt ab von:

  • Großhandelsbeziehungen der Apotheke
  • Lieferengpässen bei Herstellern (kommen vor)
  • Importbedingungen aus Kanada/Niederlanden

Tipp: Fragen Sie Ihre Apotheke vor dem Arztbesuch, welche Sorten verfügbar sind, oder nutzen Sie spezialisierte Cannabis-Apotheken, die größere Sortimente führen.

Alternativen bei Nichtverfügbarkeit: Ihr Arzt kann auf dem Rezept “aut idem” ausschließen, um Sortenersatz zu verhindern, oder mehrere vergleichbare Sorten angeben.

Kosten verschiedener Cannabis-Sorten

Die Preise variieren zwischen 8 und 25 Euro pro Gramm Cannabisblüten:

  • Standard-Sorten (Bedrocan, Pedanios): 12-18 Euro/g
  • Premium-Sorten (Aurora, spezialisierte Importe): 18-25 Euro/g
  • CBD-Sorten: Oft günstiger, 8-15 Euro/g

Bei Kostenübernahme: Sie zahlen nur die Rezeptgebühr (5-10 Euro), unabhängig von der Sorte.

Eigenfinanzierung: Monatliche Kosten zwischen 200 und 600 Euro, je nach Dosierung und Sorte.

Qualität und Sicherheit medizinischer Cannabis-Sorten

Alle in deutschen Apotheken erhältlichen Cannabis-Sorten unterliegen:

  • GMP-Standards (Good Manufacturing Practice)
  • Kontrolle auf Pestizide, Schwermetalle, Schimmel
  • Standardisierte Cannabinoid-Gehalte (Schwankung max. ±10%)
  • Zulassung durch die Cannabisagentur beim BfArM

Sie können also sicher sein, dass Sie ein pharmazeutisches Produkt erhalten – weit sicherer als Cannabis aus illegalen Quellen.

Häufige Fehler bei der Sortenwahl vermeiden

Fehler 1: Zu hohe THC-Dosierung am Anfang

Viele Einsteiger überschätzen ihre Toleranz. Beginnen Sie niedrig dosiert und steigern Sie langsam.

Fehler 2: Indica abends ignorieren

Wenn Sie unter Schlafstörungen leiden, aber tagsüber Sativa-Sorten nutzen, verpassen Sie die sedierenden Vorteile von Indica-Sorten abends.

Fehler 3: Nur auf THC achten

CBD hat eigenständige therapeutische Effekte und kann THC-Nebenwirkungen reduzieren. Balanced-Sorten sind oft verträglicher.

Fehler 4: Keine Sortenrotation

Bei Dauergebrauch derselben Sorte kann Toleranz entstehen. Wechseln Sie gelegentlich die Sorte oder das THC/CBD-Verhältnis.

Fehler 5: Verfügbarkeit nicht prüfen

Informieren Sie sich vor der Verschreibung, welche Sorten Ihre Apotheke beschaffen kann, um Lieferverzögerungen zu vermeiden.

Zukünftige Entwicklungen bei Cannabis-Sorten

Der deutsche Markt für medizinisches Cannabis wächst kontinuierlich:

  • Deutscher Anbau nimmt zu, was Verfügbarkeit und Preise verbessern könnte
  • Neue Züchtungen mit spezifischen Cannabinoid- und Terpenprofilen
  • Standardisierte Therapieprotokolle für bestimmte Erkrankungen
  • Mehr Forschung zu Wirkung einzelner Sorten bei spezifischen Symptomen

Zusammenfassung – Die wichtigsten Punkte

  1. Über 100 medizinische Cannabis-Sorten sind in Deutschland verfügbar, mit THC-Gehalten von weniger als 1% bis über 25%

  2. THC wirkt schmerzlindernd, appetitanregend und schlaffördernd; CBD wirkt entzündungshemmend, angstlösend und krampflösend

  3. Indica-Sorten eignen sich für Entspannung, Schlaf und Schmerzlinderung abends; Sativa-Sorten für Aktivierung und Stimmungsaufhellung tagsüber

  4. Beginnen Sie mit niedrigen THC-Gehalten (10-15%) und balanced Sorten, besonders als Einsteiger

  5. Die optimale Sorte hängt von Ihren Symptomen, der Tageszeit und individueller Verträglichkeit ab – probieren Sie verschiedene Optionen mit ärztlicher Begleitung

  6. Kombinationen verschiedener Sorten zu unterschiedlichen Tageszeiten sind häufig am effektivsten

  7. Alle Apotheken-Sorten unterliegen pharmazeutischen Qualitätsstandards und sind sicher

Die Wahl der richtigen Cannabis-Sorte ist ein individueller Prozess. Arbeiten Sie eng mit Ihrem Arzt zusammen, führen Sie Tagebuch über Wirkungen und Nebenwirkungen, und geben Sie sich Zeit, die optimale Therapie zu finden. Mit der richtigen Sorte können Sie die Wirksamkeit Ihrer Cannabistherapie erheblich verbessern und Nebenwirkungen minimieren.

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